Text von Astrid M. Bagwitz
Als Krishna Lars und mich fragte ob wir nicht Lust hätten, einen Reiki-Ausflug auf den Nordamerikanischen Kontinent zu machen, waren wir sofort Feuer und Flamme. Die Programmpunkte der Reise sind beflügelnd: ein Besuch bei Wanja Twan, eine der 22 Reikilehrer die Hawayo Takata ausgebildet hat, Teilnahme an einem Fest der First Nations und die Möglichkeit weitere renommierte Reikimeister, wie Hawayo Takatas Enkeltochter und aktuelle Linienträgerin Phyllis Lei Furumoto, sowie andere Reikischüler auf dem OGM-Retreat in Idaho zu treffen und von ihnen zu lernen.
Am Flughafen von Spokane treten Krishna und ich direkt nach unserer Ankunft die Fahrt gen Kanada an, Lars wird erst später zu uns stoßen. Wir sausen durch die Steppe und später durch saftig grüne Täler in denen Elche und Rehe grasen, durch dichtbewaldete Wälder, vorbei an Seen und Flüssen, die sich malerisch zwischen den Gipfeln der Berge wiegen. Erst in Ymir, einer kleinen Stadt in den Kootenays gönnen wir uns eine kurze Kaffeepause. Ich frage mich wie es hier wohl zu Zeiten des Goldrausches gewesen sein mag während langsam die Dunkelheit einbricht. Die kurze Pause tut gut, wir sind schon über 24 Stunden auf den Beinen, allerdings geraten wir inzwischen unter Zeitdruck, da wir Wanja nicht warten lassen wollen. Nach einem kleinen unfreiwilligen Abstecher durch Nelson erreichen wir endlich Kaslo, meine Vorfreude und Aufregung steigt.
Wanja ist eine wunderbare Geschichtenerzählerin, wir hören Anekdoten von umtriebigen Bären, vom Alltagsleben in Kanada und natürlich auch Reiki-Geschichten, von den Zeiten als Wanja Mrs. Takata trifft und von ihren eigenen Erfahrungen mit Reiki. Nur schwer können wir uns lösen, aber die Müdigkeit hat uns doch alle eingeholt, ich krieche überglücklich in meinen Schlafsack …
Schon früh auf den Beinen werde ich von der wunderbaren Aussicht überwältigt die sich vor mir auftut. Auf der anderen Seite des Sees funkeln schneebedeckte Bergspitzen im Sonnenlicht. Von der Magie des Ortes ergriffen, laufe ich den Hügel hinunter in das noch schlafende Kaslo und versuche die Stimmung in mir aufzusaugen wie ein Schwamm. Bald machen die ersten Geschäfte auf, ich schaue mich um, ergattere einige Zimtrollen und eile wieder den Berg hinauf zu Wanjas rotem Haus.
Wanja und Krishna sitzen bereits am Frühstückstisch. Die Erzählungen des gestrigen Abend werden fortgesetzt, ich werde in eine andere Welt entführt: viele der Geschichten aus Wanjas Büchern erwachen zu neuem Leben, ich lausche wie gebannt und bin fasziniert, lerne in jeder Sekunde dazu.
Nach dem Mittagessen in einem Lokal in Kaslo, fahre ich Wanja wieder nach Hause, sie hat heute noch eine Einweihung und Unterricht zu geben. Spontan fragt sie mich ob ich nicht daran teilhaben möchte – ich bin überwältigt und sage freudejauchzend zu. Sie nimmt mich bei der Hand und ehe ich mich versehe, sitze ich auf einem Stuhl in ihrem Wohnzimmer, Wanja stellt sich hinter mich, ich schliesse die Augen – als ich sie wieder öffne, lächelt sie mir zu.
Bald darauf befinde ich mich auf der Massageliege in ihrem Reikiraum, ein leicht abgetrennter Teil ihrer Wohnküche. Während ihr Reikischüler Bruce mich behandelt, nehme ich mit allen mir zur Verfügung stehenden Sinnen Wanjas Anleitungen und Erklärungen auf, mein Glück kaum fassend.
Gegen Abend ziehen sich Wanja und Krishna auf die von blühendem Flieder umgebene Terasse zurück, während Bruce und ich das Abendessen vorbereiten, Geschenke werden ausgetauscht. Von nun an begleitet uns der Stoffbär, den Wanja Krishna zum Geburtstag geschenkt hat als Maskottchen auf unseren Wegen. Ein lehrreicher Tag neigt sich dem Ende.
Nach dem Mittagessen brechen wir wieder auf, vorbei an den Obstmärkten, die in der von Salbeibüschen übersäten Halbwüste bei Vernon gelegen sind. Ein grauer Schleier hängt in der Luft, wahrscheinlich von den Waldbränden die gerade hier grassieren, leichter Regen setzt ein.
Die Fahrt führt uns entlang einer tiefen Schlucht hinauf in Richtung Lilloet. Zahlreiche Male überqueren wir den Fluß, der sich durch den Abgrund schlängelt auf schmalen, einspurigen Holzbrücken, das fröhlich plätschernde, eisblaue Wasser begleitet uns fast bis in die Hochebene.
Die dann folgende Abfahrt nach Pemberton ist nichts für ängstliche Gemüter, Wanja hatte schon ein verschmitztes Lächeln im Gesicht, als sie uns Tipps für die Abfahrt gegeben hat. Wir wissen jetzt warum: Meilenlang geht es steil auf der sich durch die Berge windenden Strasse abwärts, der Fuß scheint am Bremspedal zu kleben. Zum Glück ist hier wenig Verkehr und wir können unseren Augen kaum trauen als uns der erste Bär begegnet, der bei unserer Anfahrt allerdings schnell in den Büschen verschwindet. Und dann erreichen wir endlich das Ortsschild von Pemberton, nach über 10 Stunden Fahrt.
Lars ist bald gefunden, wir freuen uns nun endlich als vollständiger Trupp die Reise fortsetzen zu können. Michelle und Wanjas Sohn Martin bewirten uns fürstlich und nach dem ersten Kennenlernen bin ich glücklich das Zimmer einer kleinen Pension beziehen zu können. Das erste Bett seit Deutschland, ich lasse mich selig hineinfallen.
Am nächsten Morgen bewundere ich die vielen Indianischen Kunstgegenstände, die sich in der Pension befinden. Alles ausgewählte Stücke von Künstlern aus der Umgebung, wie mir die deutschstämmige Bed & Breakfast Betreiberin erklärt. Ich kaufe mir ein kleines Andenken, viel Zeit zu reden bleibt nicht, Michelle steht schon vor der Tür, um uns zu den in-SHUCK-ch days zu fahren.
Eine staubige, unbefestigte Strasse entlang des Sees zu Füssen des Mt Currie führt uns zu der Schule des Indianerreservats in dem die Veranstaltung stattfinden wird. Wir begeben uns in die Turnhalle und nehmen mit den vielen First Nations auf der Tribüne Platz.
Tief berührt von vielen Gesprächen, sehe ich in den Himmel und beobachte die Wolkenformation eines Kanufahrenden Indianers, wie er über das Firmament gleitet. Ein Flashback jagt den nächsten, mir scheint die Umgebung lässt mich teilhaben an Geschichten aus längst vergangenen Tagen und nebenher lernen wir wie man Körbe aus Zedernholz flechtet, probieren Xusum Eis, das aus dem Schlagen des Saftes der gleichnamigen Frucht hergestellt wird, essen Moosestew (Elcheintopf), basteln Traumfänger und schauen bei dem beliebten Bonegame zu.
Es wird dunkel, Zeit wieder aufzubrechen. Ich erfahre, dass man bei der Zeremonie sein Erstlingswerk an jemanden verschenkt und entscheide mich meinen Traumfänger an die Frau von Gerald, dem Wolfstänzer zu geben, sie hatte mir so wunderbare Geschichten aus Ihrem Leben erzählt.
Auf der Rückfahrt machen wir einen Abstecher zu den St Agnes Hot Springs, die auf dem Weg liegen. Ein Bär überquert die Strasse, nur 100 m weiter biegen wir in die Einfahrt ein und lassen uns mitten im Wald in den „Hot Tubs“ vom Thermalwasser umhüllen, die Sterne leuchten über uns.
Diesmal bekomme ich ein Zimmer im Pemberton Hotel, der freundliche Sikh am Empfang sagt mir noch: „Such a happy lady, I’ll give you the most beautiful room“. Ich lache und ja, auch wenn unendlich viele innere Prozesse in den letzten zwei Tagen angestossen wurden: ich bin unendlich glücklich, so glücklich wie vielleicht noch nie zuvor.